
Die elektronische Patientenakte soll die Digitalisierung im Gesundheitswesen beschleunigen und sowohl die Patientenversorgung als auch die medizinische Forschung erheblich verbessern.
Bundesweiter Start der ePA
Die Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) soll die Digitalisierung im Gesundheitswesen vorantreiben. Was bedeutet das für Versicherte und medizinische Einrichtungen?
Berlin (dpa) - Die elektronische Patientenakte, kurz ePA, soll nun in Praxen, Kliniken und Apotheken zum Einsatz kommen. Nach zahlreichen Verzögerungen startet das Großprojekt am Mittwoch. Wichtige Gesundheitsdaten wie Befunde und Medikamente sollen digital verfügbar sein – es sei denn, man lehnt dies ab. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) erwartet erhebliche Verbesserungen für die Versorgung und die Forschung. Vor dem flächendeckenden Einsatz steht jedoch eine Testphase.
Pilotprojekt startet in ausgewählten Regionen
Alle gesetzlich Versicherten, die nicht widersprochen haben, erhalten schrittweise eine ePA von ihrer Krankenkasse. Dieser Prozess könnte zwei bis vier Wochen dauern, da mehr als 70 Millionen E-Akten erwartet werden. Der konkrete Betrieb startet am Mittwoch in drei Modellregionen: Hamburg mit Umland, Franken und einer Region in Nordrhein-Westfalen. Mehr als 250 Praxen, Apotheken und Kliniken sollen dort Daten einstellen.
Schrittweise Einführung geplant
Wenn das System in den Modellregionen stabil läuft, soll es bundesweit eingeführt werden. Dies könnte frühestens nach vier Wochen, also Mitte Februar, geschehen. Dann sollen auch 150.000 Gesundheitseinrichtungen in ganz Deutschland technisch angebunden sein. Versicherte werden von ihrer Krankenkasse über verschiedene Wege informiert, dass eine ePA für sie bereitsteht, beispielsweise durch Push-Nachrichten in der Kassen-App oder Informationen auf der Homepage.
Mehr Transparenz für Patienten
Die ePA bietet Patientinnen und Patienten mehr Transparenz über Befunde, Laborwerte, Diagnosen, Medikamente und Abrechnungen. Man kann in die ePA einsehen und Daten einstellen, muss dies aber nicht. Der Zugriff erfolgt über eine App der jeweiligen Krankenkasse auf Smartphones, Tablets oder Laptops. Ärzte können festlegen, welche Daten sie einstellen und wer darauf zugreifen darf. Bei einem Kassenwechsel können die Daten mitgenommen werden. Die ePA bleibt freiwillig und kann später noch gelöscht werden.
Zentrale Bündelung von Gesundheitsdaten
Das Ziel ist, verstreute Daten zusammenzuführen und eine bessere Behandlung zu ermöglichen. Oft fehlen in Praxen Dokumente aus früheren Behandlungen oder liegen gar nicht vor, erklärt die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV). Künftig sollen wichtige Angaben auf einen Blick verfügbar sein, um Mehrfachuntersuchungen und Arznei-Wechselwirkungen zu vermeiden.
Opt-out-Prinzip für mehr Nutzerfreundlichkeit
Der Start der „ePA für alle“ soll die Digitalisierung voranbringen. Als wählbares Angebot, um das sich Versicherte aktiv kümmern mussten, wurde die ePA bereits 2021 eingeführt, aber kaum genutzt. Zu Jahresbeginn gab es 1,9 Millionen ePAs bei über 74 Millionen gesetzlich Versicherten. Ein Gesetz der Ampel-Koalition kehrte das Prinzip um: Nun erhalten alle eine ePA, außer man widerspricht aktiv (Opt-out). Die Widerspruchsquote liegt laut Kassen-Spitzenverband bei fünf Prozent. Auch private Versicherungen können ePAs anbieten.
Zugriffsrechte für Ärzte und Patienten
Beim Einstecken der Versichertenkarte in der Praxis oder Klinik erhalten die behandelnden Ärzte ein Zugriffsrecht auf die ePA für 90 Tage. Diese Spanne kann über die App verkürzt oder verlängert werden. Patienten können bestimmen, wenn ein Befund nicht in die Akte soll. Bei sensiblen Daten müssen sie auf das Widerspruchsrecht hingewiesen werden, erläutert das Ministerium. Der Verbraucherzentrale Bundesverband fordert einfache Einstellungen, welcher Mediziner was einsehen kann.
Erweiterung der ePA-Funktionalitäten
Ärzte sind künftig verpflichtet, wichtige Dokumente in die ePA einzustellen. Zum Start soll eine Liste der Medikamente enthalten sein, die automatisch aus E-Rezepten erstellt wird. Ab Sommer soll ein Medikationsplan mit zusätzlichen Angaben zu Dosierungen folgen. Die KBV betont, dass die ePA die eigene Dokumentation der Ärzte in ihren Praxissystemen nicht ersetzt. Auch die direkte Kommunikation zwischen Praxen bleibt wichtig, da Versicherte Daten löschen können.
Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz der Daten
Lauterbach versichert: „Die Daten der Bürger sind sicher vor Hackern.“ Der Chaos Computer Club hatte vor Angriffsmöglichkeiten gewarnt. Die Digitalgesellschaft Gematik kündigte Lösungen an, um solche Szenarien zu verhindern. Die Daten werden auf Servern in Rechenzentren im Inland innerhalb der geschützten Datenautobahn des Gesundheitswesens gespeichert. Jeder Zugriff auf die ePA wird protokolliert. Hochgeladen werden nur Dateiformate, die keine Viren übertragen.
Zugang und Nutzung der ePA
Für die erste Anmeldung in der ePA-App sind Sicherheitsanforderungen nötig. Man benötigt einen elektronischen Personalausweis mit Pin oder die elektronische Gesundheitskarte mit Pin, die man von der Krankenkasse erhält. Für die spätere Nutzung kann man Identifizierungswege am Smartphone einstellen, etwa per Gesichtserkennung. Wer die App nicht selbst verwenden will, kann Angehörige damit betrauen. Auch Kinder erhalten eine ePA, wenn die Eltern nicht widersprechen, ab 15 können sie selbst entscheiden.
Daten für wissenschaftliche Forschung
Die ePA soll auch der Forschung zugutekommen. Ab Juli 2025 sollen Daten der ePAs für Forschungszwecke an eine zentrale Stelle weitergeleitet werden. Diese Daten werden pseudonymisiert verwendet, also ohne direkt personenbeziehbare Angaben wie Name und Adresse. Versicherte können dieser Nutzung in der App oder bei einer Ombudsstelle der Krankenkasse widersprechen. Lauterbach sieht große Chancen für die Forschung mit großen Datenbeständen, wenn auch Daten aus Registern und Kassen-Abrechnungen einbezogen werden.