Weltweite ResistenzkriseAntibiotika am Limit: steigende Resistenzraten

Die WHO warnt: Immer mehr bakterielle Infektionen sind gegen gängige Antibiotika resistent; die dramatischen Folgen für die globale Gesundheit sind oft beschrieben. Neuen Daten zufolge nimmt die Resistenz rasant zunimmt und variiert regional stark. Die moderne Medizin steht vor einer ihrer größten Herausforderungen.

Blister mit Medikamenten, unter anderem Antibiotik
Monika Skolimowska/dpa

Antibiotika: Was einst Wunderwaffe war, verliert weltweit an Schlagkraft – Resistenzen breiten sich aus.

Die Resistenz von Bakterien gegen Antibiotika steigt rasch. Weltweit sei jede 6. im Labor bestätigte bakterielle Infektion durch antibiotikaresistente Erreger ausgelöst worden, berichtet die Weltgesundheitsorganisation (WHO). 

Sie hat das Problem erstmals in Bezug auf 22 oft gebrauchte Antibiotika quantifiziert, die etwa gegen Infektionen der Harnwege, des Magen-Darm-Trakts oder der Blutbahn oder gegen die sexuell übertragbare Gonorrhoe (Tripper) eingesetzt werden. Die neuesten Zahlen stammen von 2023. 

WHO-Daten zeigen weltweiten Anstieg

Die WHO betrachtete dabei auch verschiedene Kombinationen von Bakterien und Antibiotika. Das Ergebnis: Von 2018 bis 2023 ist die Resistenz bei mehr als 40% davon gestiegen und zwar je nach Kombination Bakterium-Antibiotikum um 5–15% pro Jahr. 

In die Studie sind rund 23 Millionen Daten aus mehr als 100 Ländern eingeflossen. «Antibiotikaresistenz ist weit verbreitet und bedroht die Zukunft der modernen Medizin», warnt Dr. Yvan Hutin, Direktor der zuständigen WHO-Abteilung. 

Regionale Hotspots und globale Ungleichheit

Dabei gibt es große regionale Unterschiede. In Südostasien und im östlichen Mittelmeerraum seien bereits 1 von 3 gemeldeten Infektionen gegen die untersuchten Antibiotika resistent. Das Problem sei besonders in Ländern mit schwachen Gesundheitssystemen verbreitet. 2021 sind nach WHO-Angaben 7,7 Millionen Menschen weltweit an einer bakteriellen Infektion gestorben. Gut 1,1 Millionen seien direkt auf Antibiotikaresistenzen zurückzuführen gewesen.

Betrachtet hat die WHO 8 weit verbreitete Bakterien, die etwa Infektionen der Harnwege, des Magen-Darm-Trakts oder der Blutbahn verursachen. Bei mehr als 40% der E.-coli- und 55% der K.-pneumoniae-Bakterien seien die gängigen Antibiotika nicht mehr wirksam. In afrikanischen Ländern seien es manchmal mehr als 70%. Diese Bakterien könnten auch Sepsis und schließlich Organversagen auslösen, so die WHO. Noch gebe es dagegen andere Antibiotika, die aber teurer seien und in vielen ärmeren Ländern nicht zur Verfügung stünden.

Globale Gefahr: Die Rückkehr ins präantibiotische Zeitalter

Der Direktor des Instituts für Infektionsmedizin und Krankenhaushygiene am Universitätsklinikum Jena, Prof. Mathias W. Pletz, warnt: «Wenn der Antibiotikaverbrauch global nicht sinkt, droht die Rückkehr in ein ‚präantibiotisches Zeitalter‘.» Selbst Routineeingriffe könnten wieder lebensgefährlich werden. Allein in Europa lasse sich das Problem nicht lösen, sagt Prof. Annemarie Käsbohrer vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Berlin: «Aufgrund der globalen Vernetzung werden Resistenzentwicklungen in anderen Regionen der Welt auch direkt Auswirkungen auf die Situation in Europa haben, mit all den negativen Auswirkungen für Mensch, Tier und Umwelt.»

Niederschwellige Maßnahmen, die dem Trend entgegenwirken

Jeder könne dazu beitragen, dass Problem in den Griff zu bekommen, sagte Hutin. Zum einen lasse sich das Infektionsrisiko etwa durch häufiges Händewaschen, die Benutzung von Desinfektionsgel oder Impfungen verringern. Zum anderen gilt es an der Erwartungshaltung der Patienten zu arbeiten: «Wer mit Fieber zum Arzt geht, darf nicht automatisch erwarten, ein Antibiotikum zu bekommen», sagte Hutin. Hier ist der Mediziner gefragt, nur bei wirklich bakteriellen Infektonen auch ein Antibiotikum zu verordnen.

Die WHO verlangt dringend mehr Forschung und Entwicklung neuer Antibiotika.