
Weltweit war im Jahr 2023 jede 6. laborbestätigte bakterielle Infektion resistent gegen Antibiotika – die Resistenzentwicklung verlaufe aktuell schneller als die Fortschritte der modernen Medizin und bedrohe die globale Gesundheit, warnte die Weltgesundheitsorganisation WHO im Oktober. Für Deutschland kommt eine aktuelle Studie zu dem Ergebnis, dass im Jahr 2019 hierzulande ca. 10.000 Menschen aufgrund von Infektionen mit antibiotikaresistenten Erregern gestorben sind. „Im internationalen Vergleich sind die Zahlen noch relativ niedrig. Aber Krankheitserreger halten sich nicht an nationale Grenzen“, sagt Prof. Maria Vehreschild, Frankfurt, Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie (DGI). Um eine rationale Verordnung von Antibiotika sicherzustellen und der Ausweitung der Resistenzproblematik entgegenzuwirken, sind die fachärztliche infektiologische Expertise und die sogenannten Antibiotic Stewardship-Programme in Kliniken unverzichtbar.“
Infektiologie ist unverzichtbar!
Experten für Infektionskrankheiten werden nicht nur wegen der wachsenden Zahl antibiotikaresistenter Infektionen benötigt. Der zunehmende Anteil älterer Patienten mit geschwächtem Immunsystem, aber auch große operative Eingriffe, komplexe Therapien bei Krebs und chronischen Erkrankungen und weitere Entwicklungen der modernen Medizin können mitunter komplizierte Infektionen nach sich ziehen. „Bei schweren Infektionen verbessert die Einbindung von Fachärzten der Infektiologie die Überlebenschancen von Betroffenen um bis zu 20%, reduziert Komplikationen und senkt den Antibiotikaverbrauch – das belegen zahlreiche wissenschaftliche Daten“, so Vehreschild. „Eine strukturelle Verankerung infektiologischer Kompetenz ist deshalb nicht nur medizinisch, sondern auch ökonomisch sinnvoll.“
KHAG-Entwurf: Ein Rückschritt für Patientensicherheit
Das Krankenhausreformanpassungsgesetzes (KHAG) sieht aktuell allerdings das Gegenteil vor: Hier sollen nun mehrere Leistungsgruppen, also Kategorien medizinischer Leistungen, in denen spezifische Qualitätskriterien und Vergütungen definiert sind, komplett entfallen – darunter auch die Leistungsgruppe Infektiologie.
„Für Kliniken heißt das konkret: Ohne eine Leistungsgruppe lässt sich spezielle Infektiologie kaum finanzieren – entsprechende Stellen zur Weiterbildung des medizinischen Nachwuchses würden wegfallen, Fachärzte ohne Perspektive in andere Gebiete abwandern“, erläutert Prof. Gerd Fätkenheuer, Köln, Past-Präsident der DGI.
Für Patientinnen und Patienten wiederum bedeutet es: Die Qualität der Versorgung bei schweren Infektionen droht erheblich zu leiden. Die Streichung der Leistungsgruppe hat strukturelle Konsequenzen und führt dazu, dass die Krankenhausplanung der Länder keine Infektiologie vorsieht. Selbst komplizierte Infektionen würden dann in nichtspezialisierten Kliniken versorgt werden. „Das gefährdet in hohem Maße die Versorgungsqualität und vor allem die Sicherheit der Patienten“, so Fätkenheuer.
Deutschland isoliert sich – internationale Vergleiche
„Die Leistungsgruppe Infektiologie sollte – so der ursprüngliche Plan – nicht flächendeckend, sondern gezielt und kosteneffizient an spezialisierten Zentren vorgehalten werden, um dort Patienten mit komplexen Infektionen nach optimalen Qualitätsstandards zu versorgen, erläutert Vehreschild. „Mit dem aktuellen Entwurf des KHAG droht jetzt allerdings eine fundamentale Schwächung der Infektionsmedizin insgesamt. Damit handeln wir komplett entgegengesetzt zu anderen hochentwickelten, effizienten Gesundheitssystemen.“
Als Begründung für die Streichung der Leistungsgruppe werden vor allem technische Argumente, wie die Zuordenbarkeit von Leistungen zu vorhandenen Abrechnungsziffern (DRG; diagnosis related groups), vorgebracht. „Hierfür gibt es jedoch pragmatische Lösungen, die bei anderen Leistungsgruppen auch angewendet werden. Daher ist es überhaupt nicht nachvollziehbar, dass die medizinische Versorgung von Patienten gefährdet, und ohne Not die ursprünglichen Reformziele der Krankenhausreform für mehr Qualität und Effizienz geschwächt werden“, kommentiert Prof. Leif Erik Sander, Berlin. Deshalb sein dringender Appell an die Parlamentarier: „Wir dürfen bei Qualität und Patientensicherheit keine Kompromisse machen! Die Leistungsgruppe Infektiologie muss, wie ursprünglich vorgesehen, wieder aufgenommen werden.“
Fachgesellschaften sind alarmiert
Die Deutsche Gesellschaft für Infektiologie (DGI) plädiert gemeinsam mit zahlreichen Fachgesellschaften und Verbänden, darunter die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM), die Gesellschaft für Virologie (GfV), der Berufsverband Deutscher Internistinnen und Internisten (BDI), die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI), die Deutsche AIDS-Gesellschaft sowie die Deutsche Arbeitsgemeinschaft ambulant tätiger Ärztinnen und Ärzte für Infektionskrankheiten und HIV-Medizin (dagnä) für die Änderungen des aktuellen Entwurfs des KHAG und die Wiederaufnahme der Leistungsgruppe Infektiologie.
Zur ausführlichen Stellungnahme der Fachgesellschaften und Verbände
Literatur
- World Health Organization WHO. Pressemeldung, Oktober 2025
- Mestrovic et al. JAC Antimicrob Resist 2025; 7:dlaf142. DOI: 10.1093/jacamr/dlaf142
- DGI et al. Stellungnahme zum Krankenhausreformanpassungsgesetz (KHAG) Streichung der Leistungsgruppe 3 „Infektiologie“. Oktober 2025
- WHO AMR Awareness Week
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Infektiologie e.V.


